Rana Ahmad
Flirrende Hitze, in der Sonne glitzernde Wolkenkratzer: Saudi-Arabien ist eines der reichsten Länder der Welt. Beherrscht von Scharia und der Religionspolizei. Als Zehnjährige muss Rana sich zum ersten Mal verschleiern. Sie soll die Sonne auf der Haut nicht mehr spüren, darf ohne männliche Begleitung nicht mehr auf die Straße. Rana fehlt die Luft zum Atmen, sie beginnt zu zweifeln: an Gott. Darauf steht in Saudi-Arabien die Todesstrafe. Auch deshalb beschließt sie auszubrechen. »Ich verließ meine Familie und meine Heimat, weil ich nicht mehr an Gott glaube, aber an ein Leben als selbstbestimmte Frau.«
Meine Meinung dazu: (kann Spoiler enthalten)
Ohne Worte. Und doch sind es so viele.
In einer Zivilisation, die aus ihrem Materialismus keinen
Hehl macht und die materiellen Werte höher schätzt als die seelischen, ist es
unvermeidlich, dass ein Vergehen gegen Eigentum und Besitz strenger bestraft wird
als ein Vergehen gegen den Menschen. – Jack London
Als ich mit dem Buch begann wusste ich um das Thema und
dennoch riss es mich aus meinem hier und jetzt heraus. Ich vergaß eine Zeit
lang alles um mich herum und war einfach nur entsetzt.
Entsetzt, wie Menschen durch die Religion rechtfertigen, jemanden
zu unterdrücken und zu terrorisieren. Wie die Situation so eingefahren ist, wie
es dort einfach immer schon so war.
Rana beschreibt nicht nur was ihr passiert ist, sie
beschreibt nicht nur was ihr angetan wurde, sondern sie ist klug. Sie versteht
nach und nach wieso die Dinge so laufen wie sie eben laufen. Dadurch, dass ihr
von frühester Kindheit eingebläut wird, ihr Körper wäre eine Versuchung, nicht
rein, mag sie ihren Körper nicht. Sie hat Angst, dass es ihre Schuld ist, weil
sie das böse, unreine Mädchen ist, wenn sie jemand berührt auch ohne dass sie
es will. Aus diesem Grund kann sie es auch nicht sagen, kann niemandem davon
erzählen. Und als sie sich endlich traut, wird ihr nicht geglaubt und ihr Leben
wird noch schlimmer. Ein Kreislauf der so in sich geschlossen ist, dass er sich
über Jahrzehnte für Frauen in Saudi Arabien nicht verändert, weil es ein
funktionierendes System ist. Wenn der Schwache dem Gewalt angetan wird, keine
Rechte hat, keine Stimme mit der er sprechen kann, kann er auch nicht aus dem
System ausbrechen.
Ich habe sehr lange darüber nachgedacht, wie das System
verändert werden könnte in solch einem Land, wie Frauen dort eine Stimme bekommen
könnten und ob es auch in europäischen Ländern immer noch ein Überbleibsel
davon gibt, ob die Stimme einer Frau auch hier noch weniger zählt.
Rana wird von ihrem Bruder fast zu Tode geprügelt, und auch
nach dieser Aktion bekommt sie keinen Rückhalt von ihrer Mutter. Ihr Onkel
kommt ihr zu Nahe. Der Einzige der auf sie aufpasst ist ihr Vater. Wie kann man
sich in einer Welt zuhause fühlen in der die eigene Familie einen unterdrückt?
Ich könnte mir niemals vorstellen weniger Rechte oder Pflichten zu haben, als
mein Bruder. Ich könnte mir eine Welt, in der ich die Worte meiner Eltern oder
meiner Mitmenschen nicht anzweifeln oder darüber diskutieren kann nicht
vorstellen.
Ich bin eine Frau. Ja. Aber ich sehe es nicht ein, wegen
meines Geschlechts anders behandelt zu werden. Wie ein Mensch ist, hängt nicht
von dem Geschlecht ab, sondern vom Individuum. Es hängt auch nicht von der
Hautfarbe, der Nase oder etwas anderem ab. Ja ich bin eine Frau und wie fast 50
Prozent der Menschheit bekomme ich alle paar Wochen meine Periode. Das kann ich
laut sagen, wieso auch nicht, es betrifft ja fast die Hälfte der Menschheit.
Und da ist auch nichts eklig dran. Und schon Garnichts
unrein. Ich war entsetzt als ich las, das Rana – die ja eigentlich fromm sein
sollte, in den Tagen der Periode jetzt nicht mehr den Koran anfassen darf, da
sie jetzt unrein wäre. Sie soll
Kindergebären, aber das was dazu gehört, wenn man eine Frau ist, das ist dann
unrein?
Mein Unverständnis für etwas derartig heuchlerisches ist
nicht gegeben. Ich finde jeder sollte an das glauben was er möchte, aber ohne
Menschen seelischen oder körperlichen Schaden hinzuzufügen. Denn das hätte kein
Gott gewollt.
Rana erwähnt in ihrem Buch wie viel Pech sie hatte, einfach
weil sie am falschen Ort geboren wurde. Sie hat Recht, ich habe Glück in einem
Land wie Deutschland geboren worden zu sein. Indem ich selbst über mich
entscheiden kann.
Aber Rana ist eine mutige Frau und versucht zu fliehen. Wie
viele andere wohl auch davon träumen und es nicht können? Rana hatte Glück, ich vermute ohne dass sie
Englisch gelernt hätte, wäre es auf der Flucht noch viel schwieriger gewesen.
Ich kann mir nicht vorstellen wie hart es sein muss alles zurück zu lassen und
in ein völlig neues aber auch fremdes Leben zu gehen.
Ich finde es traurig, dass Menschen in einigen Ländern mehr Angst
um sich selbst haben, als Menschen in Not aufzunehmen und ihnen zu helfen. Ist
es die Angst, dass man ihnen etwas nimmt, Geld, Kultur? Oder aber ist es die
Angst vor dem Fremden?
Umso mehr freue ich mich, dass sich die Deutschen oft mit
mehr Herzlichkeit für Geflüchtete eingesetzt haben. Auch ich habe versucht zu
helfen.
Ich bin mir sicher es ist ein zweischneidiges Schwert. Es
gibt Menschen - auch Menschen aus diesen Ländern, die sich vielleicht nicht korrekt
verhalten, mit unserem System noch nichts anfangen können, doch genauso gibt es
auch Deutsche die sich nicht gut Verhalten – alles ist vom Individuum abhängig.
Wir sind eine vernetzte Welt, die sich schnell verändert.
Ich glaube irgendwann wird es überall mehr so sein wie in Metropolen, wo es
sehr viele unterschiedliche Menschen gibt, mit sehr vielen verschiedenen
Meinungen und Bedürfnissen. Vielleicht haben Länder die so streng geordnet sind
davor Angst, wie viel sich bei ihnen verändern wird. Aber ich glaube es wird
sich verändern.
Rana
thank you for your voice. At the end of the book I had tears in my eyes,
because I knew you would find your place, to feel at home.
Ich finde die Ausgabe übrigens unglaublich schön. Es sieht durch das Textverhältnis auf dem Cover so englisch aus.
10/10
Vielen lieben Dank an den btb VerlagRezensionsexemplar!
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